Die glacial Wilderness
Die glacial Wilderness

Die glacial Wilderness

Nachdem wir uns in Stehekin ordentlich was zu essen gegönnt, Wäsche gemacht und sogar geduscht haben, geht’s per Shuttle Bus zurück zum Trail. Dazu muss man sagen, dass hier fast kein Fahrzeug unterwegs ist, weil Stehekin nur per Trail, Fähre oder Wasserflugzeug erreichbar ist. Mit Mat und Mousetrap sind jetzt zwei weitere menschenähnliche Geschöpfe mit uns unterwegs. Kann hier in der hintersten Wildnis von Washington bestimmt nicht Schaden! Ich starte dennoch erstmal gegen 5 Uhr alleine, weil ich durch die Schmerzen im rechten Unterschenkel etwas Vorsprung herausholen will. Zahlreiche Schneefeldern und der Suche nach dem von diversen Lawinen zerstörten Trail später mache ich eine Pause mit der Aussicht auf Glacier Peak. Mat hat dort schon sensationelle Shots gemacht. So kann man in den Tag starten. An vereinbarten Camp-Spot fehlt Mousetrap und keiner weiß wieso. Das Rätsel lässt sich jedoch am nächsten Tag recht einfach lösen: Sein Handy und seine Powerbank sind leer, weil er sie vergessen hat in Stehekin zu laden. Upsi! Dadurch wusste er nicht wo er hin muss und ist bis 8 Uhr Abends – zum Glück auf dem PCT – gelaufen ohne uns zu finden.
An nächsten Morgen geht’s für mich wieder um 5 Uhr los, weil wir etwa 34 km zum Mica Lake laufen wollen. Auf dem Weg treffe ich zwei kleine, scheue Marmots und muss mich durch tonnenweise Schnee gute 2000 hm hoch und zwischenzeitlich wieder runter kämpfen. Übrigens macht mir das tatsächlich Spaß! Zusammen mit Mat komme ich rechtzeitig am Mica Lake an, um dort bei etwas Restsonne und etwa 30°C noch zu baden. Wir haben nur Gutes über den See gelesen und freuen uns auf das Bad. Dass die Camp-Spots zugeschneit sind, stört uns erstmal nicht wirklich, aber der See sieht auf den ersten Blick komplett zugefroren aus. So’n Mist! Nach näherem Betrachten finden wir eine nicht ganz zugefrorene Stelle – ab geht’s, rein da! Das sind bestimmt 1°C, sonst wäre er ja komplett zu. Logisch, oder?! Was soll also schiefgehen?! Beim Sprung in das Wasser bleibt das Herz gefühlt kurz stehen und dann kommt nur noch ein Gedanke: Raus hier! Es war super! Die anderen nehmen auch alle einen kleinen Dip, sobald sie angekommen sind. Da der Spot sehr windanfällig ist und wir alle keine Schnee-Anker haben, können wir die Zelte nicht sicher im Schnee aufbauen. Das heißt, wir versuchen alle fünf zusammen auf dem einzigen schneefreien Felsen zu Cowboy-Campen. Und uns ist klar, das wird eine eiskalte Nacht, sobald die Sonne verschwunden ist. Jeder von uns zieht alles an, was vorhanden ist. Es ist dennoch eine kalte Nacht in extrem exponierter Lage. Alles was nicht von Klamotten bedeckt ist, friert – zum Beispiel meine Nase! Zum Glück werden wir am nächsten Morgen von Schneeregen geweckt – damit ist die kurze Nacht vorbei! Blitzschnell wird alles eingepackt und dann wird mit Microspikes im überfrohrenem Schnee den Fire Creek Pass heraufgeklettert. Das wärmt!
Wir planen einen kurzen Tag, um nach stundenlangen Regen an einem Feuer unsere Klamotten zu trocknen. Um 16 Uhr kommen wir am unserem Camp-Spot an und können ohne Regen unsere Zelte aufbauen. Das Feuer und Abendessen folgen kurze Zeit später.
Der nächste Morgen startet mit einem Warm-up Anstieg zum Red Pass in reichlich Schnee über 8 km. Die Aussicht auf ein Wolkenmeer zum Frühstück ist der Hammer! Für diese Momente bin ich hier draußen. Kurze Zeit später kommen die anderen an und es geht weiter zum White Pass. Ich wollte bis zum Mittagspause wieder für mich sein – hat nicht geklappt. Knapp 8 km vor dem Treffpunkt sehr ich einen großen Schwarzbären vor mir auf dem Trail in die gleiche Richtung schlurfen. Erschrocken dreht er nur seinen Kopf zurück zu mir und fängt an zu Schnauben und Grummeln. Ich rede mit ruhiger Stimme auf Deutsch mit ihm. Das scheint ihn noch mehr zu verwirren – er spricht wohl nur Englisch – und er verlässt den Trail und läuft bergauf. Mich würde interessieren was ihn an meisten gestört hat: Der Geruch, die Sprache, die Erscheinung? Keine Ahnung! Kurze Zeit später bin ich am Lake Sally Ann, unserem Spot für Mittag. Nach einem weiteren Eisbad und einem Lachs-Wrap geht’s noch ein paar km zum Camp-Spot. Und weil es so schön ist geht’s am nächsten Tag gleich weiter mit einem Sprung in den Pear Lake. Einen von Moskitos geprägten Tag später landen wir in Skykomisch und gönnen uns gutes Essen, Bier, eine Dusche und tatsächlich ein Bett. Die erste Nacht in einem Bett seit über einem Monat. Wie aufregend!

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Ein Kommentar

  1. Stephan

    Hey Tim, total spannend was Du schreibst. Die Bilder noch dazu sind sehr beeindruckend … Ich hoffe, die aktuelle Entwicklung mit der Hitzewelle und den damit verbundenen Bränden läßt bald nach, sonst habt ihr sicherlich den ein oder anderen gesperrten Abschnitt. Bleibt vorsichtig …

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