Vorweg die Schwierigkeit des Starts:
Man kann nicht zum Startpunkt fahren, sondern muss die ca. 50 km dorthin wandern. Das an sich ist erstmal kein Problem. Will man jedoch schon im Juni starten, dann kann man den PCT Richtung Start Punkt häufig noch nicht wandern. Dort ist einfach noch zu viel Schnee. Durch die Hitzewelle in Washington schmilzt der Schnee jedoch aktuell um bis zu 1 Meter pro Tag. Das wollen wir ausnutzen.
Wir haben den Tipp bekommen eine Retoure, den Robinson’s Creek Trail, zum Start Punkt zu nehmen und zurück einen Versuch auf dem PCT zu wagen. Zu dem Zeitpunkt unserer Ankunft könnte die heikle Stelle, Rocks Pass, überquerbar sein, wenn die Cornices weit genug geschmolzen ist. Die Hitzewelle ist jedoch gerade für mich nicht unbedingt was positives. Wir müssen für die ersten Tage mit etwa 28 °C nachts und 43 °C tagsüber rechnen. Genau mein Ding!
Warum will ich dennoch früher starten? Naja zum ersten habe ich 5 Tage mehr Spielraum in meinem Zeitplan. Das könnte für Verletzungen, Waldbrände und andere Auszeiten hilfreich sein. Auf der anderen Seite ist alles soweit erledigt und ich warte nur noch auf den Startschuss.
Am 26.6. um 7 Uhr geht es in Richtung Hart’s Pass. Das Abenteuer kann beginnen!
Die ersten Meilen auf dem PCT, wie aufregend! Unsere Trail Family aka Tramily startet zu dritt. Zoe, die uns die Fahrt zum Hart’s Pass angeboten hat, Jared und ich. Da Pläne eh doof sind und Jared und ich und daran gewöhnt haben, dass unsere Pläne maximal ein paar Stunden Bestand haben, starten wir minimal anders als vorher geplant. Wir wollen den PCT bis zum Rocks Pass wandern, schauen wie dieser aussieht, und im Notfall den Holman Creek Trail zu unserer alternativen Route nehmen. Nach etwa 6,5 km treffen wir einen Ranger. Die Aussage: Rocks Pass sollte aktuell auf keinen Fall versucht werden zu überteuerten und der Holman Creek Trail wurde das letzte mal von ihm gewandert – vor 17 Jahren. Also zurück zu Plan A: Robinson’s Creek Trail. Immerhin sehen wir auf diesen extra 13 km einen Luchs, der sich gerade ein Erdmännchen greift. Hat sich doch gelohnt!
Wir nehmen die alternative Route, die nach Aussage des Rangers ein entspanntes cruisen ist und fragen uns auf was der Ranger cruised. Wir haben mit den meisten Blowdowns, also Bäumen die über den Trail geweht wurden, zu tun, die jeder von uns je gesehen hat. Wir schätzen die Anzahl auf mehr als 500. Das verlangsamt das vorankommen gewaltig! Zum Glück werden wir nach diesen ersten interessanten ca. 20 km belohnt: Mehr Blowdowns, urwaldartiges Dickicht, Flussquerungen und Washouts bei mehr als 40 °C und mit tausenden Moskitos. Wir führen aber einen Weg die Motivation oben zu halten. Mittagspause und Baden im Dead Lake. Ja, mit den Klamotten – 10 kühle Minuten.
In der Nacht hören wir ein größeres Tier zwischen und um unsere Zelte herum laufen, können dieses aber für’s erste vertreiben. Ich mein, ich habe mich eh sicher gefühlt. Mein Essen hing im Baum, während das Essen der anderen beiden vor deren Zelten lag. Was für einen Besucher wir hatten, können wir jedoch auch am nächsten Morgen nicht feststellen, da wir frische Fußballdrucke von Bären, Großkatzen und Rehen finden. Egal, jetzt geht’s an Tag 3 endlich zur kanadischen Grenze und unseren offiziellen PCT Startpunkt. Auf dem Trail, ca. 1 km von unserem Camp entfernt, trifft Zoe auf einen braunen Schwarzbär, der vor ihr flieht. Ich ziehe mich nach etwa 5 km auf dem Trail gerade um und werde dabei von einem – diesmal schwarzen – Schwarzbären, der 20 Meter vor mir verdutzt den Trail kreuzt, überrascht. Wechseln wir die Hose halt nochmal. Am Monument werden natürlich fleißig Bilder gemacht und unsere schneegekühlten Start-Biere getrunken.
An diesem Tag beginnen also die ersten Schritte in Richtung Mexiko. Aber erstmal nur ein paar. Wir machen nach dem ersten 15 km eine 4 stündige Pause am Hopkins Lake und umgehen so die größte Hitze des Tages. Nach 5 Sekunden im eiskalten Schmelzwassersee weiß der Körper gar nicht mehr was ab geht, aber wir fühlen uns besser. Um etwa 17 Uhr werden alle Klamotten im See getränkt und es geht weiter über schneebedeckte Pässe in Richtung Tagesziel: Woody Pass. Damit zelten wir direkt vor dem angeblich schwierigsten Part: Rocks Pass.
Um 6 Uhr bei angenehmen 32 °C geht’s zum Rocks Pass. Die Cornice ist quasi verschwunden, also geht’s dort hoch. Nicht wirklich schwieriger als die anderen Pässe, solange man nicht stolpert und abrutscht. Ich habe aber gehört, das kommt nirgends in den Bergen besonders gut. Damit sind wir die ersten, die diesen Pass dieses Jahr von Nord nach Süd überqueren. Anbei mein Mitgefühl an alle, die die alternative Route über den Robinson’s Creek Trail zurück gewählt haben. Man erkennt diejenigen sehr leicht an den Beinen mit etwas Resthaut.
Am nächsten Morgen erreichen wir wieder Hart’s Pass, an dem wir gestartet sind. Wir haben hier am Start Essen und Bier für den Weg in Richtung Stehekin in einer Bärenbox gelagert. Die noch immer wolkenlose Aussicht auf den Weg zum Zwischenziel, Glacial Pass, raubt einem den Atem. Zugleich bekommt man aber auch knallhart die Auswirkungen der Waldbrände vorgelegt. Jared und ich campen schon um 17 Uhr auf dem Glacial Pass im Schnee, weil wir am nächsten Tag die kühleren Morgenstunden nutzen wollen. Wir vermuten, dass Zoe etwas weiter gewandert ist. Jared macht mich um 2 Uhr wach, weil er meint ein Tier zwischen den Zelten gehört zu haben. Ich bin begeistert, weil ich jetzt natürlich richtig Druck auf der Blase habe. Meine Frage ist nur: Ist es ein Raubtier? Er weiß es nicht. Woher sollte er auch, also gehe ich mitten in der Nacht mit meiner Kopflampe und der Eisaxt bewaffnet barfuß über den Schnee zum nächsten Baum und erleichtere mich während ich versuche Geräusche in der Umgebung einzuordnen. So stell ich mir Urlaub vor! Danke, Jared!
Um 5:45 Uhr geht’s los in Richtung Rainy Pass. Der angestrebte Camp-Spot ist in 32 km. Wir haben etwas Zeitdruck, weil ich am 3.7. in Stehekin ankommen und Jane zum Geburtstag mit einem Anruf überraschen will. In der Mittagspause auf den Methow Pass werden wir von Zoe überrascht. Wir sind Morgens anscheinend, ohne es zu bemerken, an ihrem Camp vorbei gestapft. Nach ein paar Stunden Schlaf geht’s an die letzte Etappe bis Stehekin.
Wir erfahren leider nach schon einigen Kilometern, dass wir nach wie vor eine Reroute nehmen müssen, weil eine Brücke weggespült wurde und der Fluss nicht überquerbar ist. Anfangs ist die Reroute überraschend gut in Takt, später dürfen wir uns jedoch bei steilem Anstieg wieder durch Blowdowns kämpfen. Am Ende gehen wir nicht die Serpentinen, sondern den Berg gerade hoch – Das fühlt sich einfacher an. Später bin ich froh, dass ich mit ein paar extra Tagen gestartet bin. Bei einer schneebedeckten Flussquerung trete ich durch den Schnee und mein rechter Unterschenkel wird von der Strömung verdreht. Autsch! Kurze Zeit später versuchte ich herauszufinden wo ich auf der Reroute Campen kann. Ich würde die verbleibenden 20 km bis Stehekin gerne auf morgen früh verschieben, doch der einzige erlaubte Camp-Spot liegt bereits hinter mir. Ich gehe langsam weiter, muss aber die Zeit im Auge behalten, damit ich die Strecke vor der Dämmerung schaffe. Kurz vor Stehekin treffe ich Jared, der gerade seine erste Bären Erfahrung gesammelt und kurzzeitig mit seinem Leben abgeschlossen hat. Wir kommen nach einem harten Tag zusammen in Stehekin an. Natürlich 10 Minuten zu spät für den Shop und das Restaurant. Es wird ohne Zelt unter freiem Himmel gecamped und wir freuen uns auf den ersten Zero day in dieser wunderschönen Umgebung.
Dann mal weiter und da euch die ersten Bären verschont haben, vermutlich gibt es gerade etwas leckeres für die :-)) könnt ihr jetzt gelassen weitermaschieren.
Passt auf euch auf!
Das klingt ja sehr aufregend und an Abwechslung scheint es nicht zu mangeln.
Die Temperaturen würden mich umbringen, aber ich glaube, wir beide haben da auch unterschiedliche Grundvoraussetzungen. Hauptsache, die Sache kommt jetzt langsam ins Rollen!
Bringst du mir den Bären mit? Danke.
Das klingt jetzt alles etwas heftiger, dann für das Update!
Der Anruf hat geklappt, leider war ich zu diesem Zeitpunkt schon am schlafen. Habe mich natürlich trotzdem gefreut, dass noch kein Bär Hunger auf einen Deutschen hatte. Anruf wurde dann nachgeholt <3